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SPECIALS

FEUERENGEL

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in Istanbul (2005)

Was für ein verrückter Trip! Feuerengel sind mal schnell nach Istanbul geflogen, um dort ein Konzert zu geben. Ja, DAS Istanbul in der Türkei.

Um euch einen Eindruck davon zu vermitteln, wie das ganze ablief, hier ein kleiner Bericht:

Normalerweise treffen wir uns alle am Proberaum, verladen gefühlte drei Wochen unser Equipment, Pyros und anderen Krempel. Danach quetschen wir uns in einen Bus und schleppen unseren hoffnungslos überladenen Anhänger durch die Armee der Sonntagsfahrer, für die jeden Tag Sonntag ist.

Diesmal war alles anders. Vier Gitarren, ein Keyboard und weitere viel zu schwere Taschen trafen sich am Flughafen Hannover und brachten ihre Besitzer mit. (Vielen Dank an Holgers Bruder, Florian und Nancy fürs Hinbringen.) So richtig glauben wollte es keiner, dass wir mal eben nach Istanbul fliegen und etwas mehr als 24 Stunden später schon zurück sein werden.

Die Beamten am Zoll hatten in der Witzkiste geschlafen: “Ist da ne Waffe drin?”, wollten sie wissen und beäugten unsere Gitarrenkoffer kritisch. “Natürlich, wir wollen unser Publikum erschießen, du Scherzbold”, dachten wir, um dann doch “Nö” zu antworten.

Leider saß die Band plus “Engel” Vanessa und Knecht Benny im Turkish-Airlines- Flieger, der seine besten Zeiten bereits hinter sich hatte, getrennt. Besonders Boris freute sich über seine attraktive und zugängliche Sitznachbarin…

Für mich wurde der Flug in dem Moment angenehm, als ein perfekt deutsch sprechender Türke in der Reihe vor mir eine Dose Bier vom Service-Wagen klaute und sie mir nach hinten durchgab. Ich dachte, ich sollte sie bunkern, aber er mochte gar kein Bier. Seltsam. Egal, so brauchte ich nur ein weiteres, “offizielles” Bier bestellen und mich in die schmierigen Kunstlederpolster kuscheln.

In Istanbul holte uns Bora am Flughafen ab. Er brachte uns zu unserem Van, einem echten Rockstar-Van. Bora betätigte sich auf der mehr als einstündigen Fahrt durch Istanbul als hervorragender Stadtführer, der uns diverse Plätze, Gebäude und einige Gepflogenheiten der Einheimischen nahe brachte. (Vielen Dank dafür!) Wir haben diese abgefahrene Stadt hauptsächlich durch die Fenster unseres Vans erlebt, das hinderte uns aber nicht daran, Fotos zu machen, als wäre es das letzte Mal, dass in Istanbul die Sonne aufgeht. Diese Stadt ist es aber auch wirklich wert. Sie pulsiert ganz einfach.

Das merkt man nicht zuletzt daran, dass die Lenkräder der Autos offenbar komplett aus Hupe bestehen oder die Fahrer alle 10 Sekunden zeigen müssen, dass sie noch wach sind und es immer noch eilig haben. Das organisierte Chaos.Wir wären gern durch eine Straße gelaufen, die unser Interesse geweckt hat. Rund 150 Läden erleuchteten in der Abenddämmerung scheinbar den Rest der Stadt. Die 150 nebeneinander liegenden Läden waren allesamt Lampengeschäfte…!! Aber wir mussten uns beeilen, die Rammstein-Verrückten in Istanbul verlangten nach ihrer Dröhnung.

The Balans, der Club, in dem wir spielen sollten, entpuppte sich trotz seiner sehr schmalen Fassade als geräumiger, moderner Club in der Mitte der Mitte von Istanbul. Wir verloren keine Zeit, inspizierten die Bühne, bauten auf und machten uns an den Soundcheck. Gleich als wir die ersten Töne des ersten Songs spielten, fing eine Handvoll Leute im Saal an zu tanzen und mitzubrüllen. Das passiert auch nicht allzu oft. Später fanden wir heraus, dass es sich um die Macher der türkischen Fan-Seite www.rammsteintr.com handelte, die zum Teil hunderte Kilometer quer durchs Land gejuckelt waren, um uns zu sehen. Wir hatten ein lustiges Interview in der Garderobe und hoffen, dass wir nicht zu bescheuert waren.

Nach einem weiteren Interview führte uns die Bookerin des Clubs, deren Name mir entfallen ist, in ein nahegelegenes Restaurant. Den Weg dorthin bahnten wir uns durch mehrere Straßen voller Menschen, die im Freien tranken, rauchten und quatschten – eine wirklich schöne Atmosphäre. Der Rotwein vor, zum und nach dem Essen half Matthias und mir dann, das übliche hirnlose Gebrabbel, das bei Feuerengel üblich ist, auf ein neues Level zu heben. Wer aus Istanbul Mittelstenahe macht, kann nicht mehr ganz frisch sein. Guckt ruhig mal nach, wo Mittelstenahe ist… Wenn wir noch länger geblieben wären, hätte Feuerengel wohl erstmals komplett ohne Gitarristen auftreten müssen.

Showtime!! Irgendwann um Mitternacht enterten wir die Bühne und wurden stürmisch empfangen. Was wir dann erlebten, war Wahnsinn: Das Publikum brüllte jede
einzelne Zeile jedes Songs mit. Sowas haben wir vorher noch nicht erlebt. Für uns wurde es ein rundum antastisches Konzert und wir hoffen, dass unsere neuen Freunde in der Türkei das genau so erlebt haben. Die Energie der Leute hat uns komplett aus den Socken gehauen. Leider mussten wir den Club in aller Eile verlassen, weil unser Busfahrer bereits wartete und die Straße blockierte, sonst hätten wir gern noch hundert Hände mehr geschüttelt, Autogramme gegeben und für Fotos geposed. Also, ab ins Hotel.

Einige Stunden später stand der Bus wieder bereit und wir machten uns auf den Weg zum Flughafen. Zwischendurch hielten wir kurz, um unsere Gage in Euronen zu tauschen. Wir waren noch gar nicht alle ausgestiegen, da schwirrten bereits drei Ramschverkäufer um uns herum, wie die Fliegen um die Scheiße. Uhren, Sonnenbrillen und Parfüm gab’s heute nur hier und natürlich günstig wie nie. Allerdings auch gefälscht wie nie. Benny konnte trotzdem nicht wiederstehen und erstand eine “total aber so was von echte Designeruhr”. Immerhin hat er den Verkäufer für den fabrikneuen Schrott von 70 auf 5 Euro runtergehandelt. Nicht schlecht Benny. Es wurden sofort Wetten abgeschlossen, ob die Uhr am Flughafen noch funktioniert.

Als wir in Hamburg den Flughafen verließen, dachte ich, ich bin im falschen Film. Der ganze Trip war dermaßen unwirklich. Waren wir wirklich Tausende Kilometer in eine völlig andere Welt geflogen, hatten wir wirklich das Nachtleben in Istanbul genossen, einen großartigen Gig gespielt und einen entspannten Rückflug nach Deutschland innerhalb eines knappen Tages???

Hatten wir. Und wir würden es glatt noch mal machen. Es hat verdammt viel Spaß gemacht und wir danken jedem, der das möglich gemacht hat. (Und Pyro-Flo und Nancy für Abholen!) Danke an das fantastische und im positiven Sinne durchgeknallte Publikum fürs Mitsingen, Danke für die Gastfreundschaft und Danke für eine Lebenserfahrung!

Wir kommen wieder. Und dann spielen wir “Spiel Mit Mir”…

(c) Farp